Das Tell-Halaf-Projekt
Sensationelle Ausstellung im Pergamonmuseum über die Funde vom Tell-Halaf, ihre Wiederherstellung und ihren Entdecker Max von Oppenheim,
Dienstag, 25. Januar 2011

Es verspricht, eine sensationelle Ausstellung zu werden, vielleicht vergleichbar der über das wieder entdeckte Reich von Qatna, ebenfaslls im heutigen Syrien, die das Württembergische Landesmuseum Stuttgart von Oktober 2009 bis März 2010 zeigte.
"Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf", zu besichtigen vom 28. Janaur bis 14. August 2011 im Vorderasiatischen Museum im Berliner Pergamonmuseum, vereint drei Aspekte: zum einen die Entdeckung des Tell Hala-Palastes, die eine wissenschaftliche Sensation war. 1943 durch den Zweiten Weltkrieg zerstört, lagerten die Objekte als zerbröckelte Steintrümmer bis in die 1990er Jahre im Keller des Pergamonmuseum. Ihre erneute Zusammensatzung gilt als restauratorische Meisterleistung. Gezeigt werden die wieder hergestellten Exponate und dazu die Dokumentation dieser mühevollen Puzzlearbeit. Drittens ruft die Ausstellung den Tell-Halaf-Entdecker ins Gedächtnis zurück, den Juristen, Diplomaten und Orientalisten Dr. jur. Max von Oppenheim.
Der 1860 geborene zweite Sohn des Bankiers Albert von Oppenheim wollte entgegen dem Wunsch des Vaters nicht das1789 gegründete Kölner Bankhaus übernehmen. Seine Begeisterung galt der arabischen Welt, der er sich zunächst als Diplomat des deutschen Kaiserreiches widmen konnte: am Generalkonsulat in Kairo und an der deutschen Botschaft in Konstantinopel. Während des Ersten Weltkrieges gründete er im Berliner Auswärtigen Amt die "Nachrichtenstelle für den Orient". Sie saß in der Mauerstelle 45/ 46 und versah sowohl nachrichtendienstliche als auch propagandistische Aufgaben.
Zugleich (und später hauptsächlich) war Attaché Oppenheim archäologisch tätig: er widmete sich seiner Lebensaufgabe Tell Halaf. Auf dem gleichnamigen, unscheinbaren Hügel in Nordost-Syrien, im Quellgebiet des Habur, des größten Nebenflusses des Euphrat, entdeckte er im November 1899 einen aramäischen Fürstensitz aus dem 1. vorchristlichen Jahrtausend. 1910 bis 1913 leitete er die Ausgrabungen, die er 1927 und 1929 fortsetzte. Bedauerlicherweise konnten die Fundstücke aus finanziellen Gründen nicht im Pergamonmuseum ausgestellt werden. Baron Oppenheim nahm die Dinge selbst in die Hand und installierte in einer ehemaligen Maschinenhalle in der Charlottenburger Franklinstraße 6 das Tell-Halaf-Museum. In dieser ungewöhnlichen Umgebung, die Architekturkritiker als Teil eines neuen Zeitgeistes beschrieben, betrachteten so prominente Persönlichkeiten wie die Orientkennerin Agatha Christie oder der irakische König Faisal I. die spektakulären Exponate.

Der verhängnisvolle Tag war der 23. November 1943, als alle Ausstellungsstücke aus Kalkstein und die Palastrekonstruktion aus Gips im Bombenhagel verbrannten. Die erhitzten Basalt-Bildwerke zersprangen durch Löschwasser in zahllose Brokken. Diese Trümmerteile wurden noch während des Krieges geborgen und im Keller des Pergamonmuseums gelagert – bis man 1993 mit ihrer Sichtung und 2001 mit der Zusammensetzung der Fragmente begann.
Noch 1954 stellte das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in einer Zusammenstellung über die Verluste der öffentlichen Kunstsammlungen in Mittel- und Ostdeutschland zwischen 1943 und 1964 fest: "Das Tell-Halaf-Museum ist als ganzes zugrunde gegangen." Max von Oppenheim hingegen schrieb noch 1944 an den damaligen Direktor des Vorderasiatischen Museums, Walter Andreae: "Es wäre ja großartig, wenn tatsächlich die Stücke, in welche die einzelnen Steinbilder zerborsten sind, gesammelt und nach den Staatlichen Museen gebracht und später wieder einmal zusammengefügt werden können." Auch der zweite Wunsch Oppenheims ist nun in Erfüllung gegangen. Und noch ein weiterer, viel älterer Wunsch des Orientalisten wird sich erfüllen: 2025, wenn der Umbau des Pergamonmuseums vollendet sein wird, werden die Skulpturen des alten aramäischen Palastes am Eingang des Vorderasiatischen Museums aufgestellt sein, also ständig auf der Museumsinsel präsent sein.
Nicht nur mit den Tell-Halaf-Funden hat der enthusiastische Orientalist Oppenheim uns sein Erbe hinterlassen, sondern auch mit der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung (zugleich Kooperationspartner bei der Wiederherstellung der Exponate) und der Gründung des Orient-Forschungsinstituts. Und 2006 hat man die Grabungen in Tell-Halaf wieder aufgenommen, durchgeführt von den Staatlichen Museen zu Berlin, der Direction Générale des Antiquités et des Musées in Damaskus in Zusammenarbeit mit den Universitäten Halle und Tübingen.
Wer sich eingehender mit der Person Oppenheims befassen will, für den hält das Berliner Museum für Fotografie eine Besonderheit bereit: ab 17. Februar 2011 zeigt es die Fotosammlung Max von Oppenheim: "Von Kairo zum Tell-Halaf".
Da wir gerade auf der Museumsinsel sind, sollte Zeit für einen kurzen Abstecher in das Ägyptische Museum im Neuen Museum sein. Dort informiert noch bis zum 20. März 2011 eine kleine Sonderausstellung über Carl Richard Lepsius (1810 bis 1884) anlässlich seines 200. Geburtstages über den "Wegbereiter der Ägyptologie". Ohne seine Methodik ist die Erforschung der Hieroglyphen und der ägyptischen Sprache nicht denkbar.
"Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell-Halaf", 28. 1. bis 14. 8. 2011, Pergamonmuseum, Am Kupfergraben 5, 10117 Berlin; (www.gerette-goetter.de)
"Von Kairo zum Tell-Halaf", die Fotosammlung Max von Oppenheim; Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, 10623 Berlin, 11. 2. bis 15. 5. 2011
"Wegbereiter der Ägyptologie" - Carl Richard Lepsius (1810 - 1884), bis 20. 3. 2011, Neues Museum, Bodestraße 1-3, 10178 Berlin
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Olaf M. Teßmer